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9. August 2008
Seit zwei Wochen nehmen die Spannungen in Südossetien stetig zu. Für Georgien bedeuten die von Russland kontrollierten Regionen Abchasien und Südossetien eine permanente Bedrohung der territorialen Integrität des Landes. Die russische Präsenz schränkt die auf NATO und EU gerichtete außenpolitische Profilierung Georgiens ebenso ein, wie die Möglichkeit einer nachhaltigen Transformation hin zu einer marktwirtschaftlich orientierten Demokratie. Über die Regionen Abchasien und Südossetien verfügt Russland über eine Vetomöglichkeit für die Entwicklung Georgiens. Um sich aus dieser Sackgasse zu befreien, schlug die georgische Seite immer wieder neue Friedenspläne vor. Alle Vorschläge hatten allerdings eines gemeinsam: eine schnelle Lösung der Konflikte, die nicht der Realität entsprach.
Schnelle Lösung unrealistisch
Anfang August 2008 kam es in dem an Tschetschenien angrenzenden Südossetien immer wieder zu bewaffneten Auseinandersetzungen. Es bleibt unklar, in welchem Umfang die russische oder die georgische Seite für die kriegerischen Handlungen verantwortlich ist. Auch Abchasien hat seine Drohgebärden gegenüber Georgien in den letzten Tagen verschärft.
Am Donnerstagabend bekräftigte der georgische Präsident Michail Saakaschwili in einer Fernsehansprache seinen Willen zu einer friedlichen Lösung des Konflikts und rief einen Waffenstillstand aus. Im Schatten dieser Waffenstillstandserklärung, aber auch parallel zur Eröffnung der Olympiade, haben dann georgische und russische Truppen Kampfhandlungen in Südossetien aufgenommen.
Angst vor weiterer Eskalation
In der Nacht auf den 8. August 2008 haben georgische Kräfte eine Militäroffensive gegen Südossetien gestartet. Beide Seiten berichteten zunächst von heftigen Kämpfen am Rande der Provinzhauptstadt Zchinwali. Im Verlauf des 8. Augusts nahmen die Meldungen zu, dass russische Streitkräfte georgisches Territorium angriffen. Bombendetonationen wurden zunächst in den an Südossetien angrenzenden Städten Gori und Kureli gemeldet. Georgischen und internationalen Quellen zufolge hat die russische Seite auch einen Militärflughafen am Stadtrand von Tiflis (Mareneli) bombardiert.
Mittlerweile hat Präsident Saakaschwili Spezialeinheiten aus dem Irak abkommandiert und zur Generalmobilisierung der georgischen Streitkräfte aufgerufen. Davon betroffen sind auch Angehörige und Freunde der Heinrich-Böll-Stiftung. Die Straßen von Tiflis sind voll mit Bussen von Armeevertretern. Das Auswärtige Amt warnt vor Reisen nach Georgien. Gemäß dem Rat der Botschaft haben die Mitarbeiter der Heinrich-Böll-Stiftung Trinkwasservorräte für den Ernstfall angelegt. Das Image des Landes der friedlichen Rosenrevolution von 2003 scheint nachhaltig geschädigt.
Bundesregierung als Verhandlungspartner?
Die Lage ist ernst und zum Teil nur schwer einzuschätzen. Angaben über die Opfer schwanken zwischen 20 und 1400. Im Krieg sind verlässliche Informationsquellen rar. Zugenommen hat die Angst, dass der Konflikt weiter eskaliert, dass Söhne und Männer in den Krieg ziehen müssen, und dass es zu Opfern unter der Zivilbevölkerung kommt. Erneut werden Stimmen laut, die eine Lösung auf dem Verhandlungsweg fordern.
Die Arbeit der Heinrich-Böll-Stiftung im südlichen Kaukasus zeigt: Es kann weniger um Lösungen im Hauruckverfahren gehen, sondern vielmehr um langfristige und auf vertrauensbildende Prozesse angelegte Vorschläge. Vermittler müssen sowohl von russischer, als auch von georgischer und südossetischer/ abchasischer Seite gleichermaßen akzeptiert werden. Wegen ihrer ostpolitischen Profilierung im Kaukasus, aber auch aufgrund ihrer guten Beziehungen zu Russland böte sich die Bundesregierung als Verhandlungspartner an. Außenminister Steinmeier hat bereits ein schnellstmögliches Ende der gewaltsamen Kampfhandlungen gefordert. Für eine nachhaltige Lösung der Konflikte bedarf es aber mittelfristiger Vorschläge, verbunden mit regionalen Kenntnissen.
Iris Kempe leitet das Süd-Kaukasus-Büro der Heinrich-Böll-Stiftung in Tbilisi.